Feldpost nach 71 Jahren
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Weihnachtsgruß aus Jersey von 1941
Mit 71 Jahren Verspätung sind in Mühlheim am Main Weihnachtsgrüße eingetroffen. Die im Zweiten Weltkrieg gestohlene Feldpost war kürzlich entdeckt worden - ihren Adressaten erreichte sie aber nicht mehr.
Als Engelbert Josef Bergmann in Mühlheim bei Offenbach die vergilbte, mit roten Segelschiffen und dem Schriftzug "Greetings" verzierte kleine Karte in Händen hält, schluckt er. Das Schreiben spiegelt ein Stück Geschichte. Denn die Weihnachtsgrüße stammen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs, abgeschickt auf der Kanalinsel Jersey. Geschrieben wurden sie im Dezember 1941 von einem Nachbarn der Familie, einem Soldaten, adressiert an Bergmanns Großvater Josef.
86 Feldpostbriefe gestohlen
Am Dienstagmittag las der 55-jährige Landwirt die säuberlich von Hand geschriebenen Zeilen zum ersten Mal: "Frohe Weihnachten und ein gesundes neues Jahr wünscht Soldat Emil Adam. Viele Grüße an Maier, Fischer und Melcher" steht links in säuberlicher Schrift. Rechts sind Weihnachtsgrüße in englischer Sprache eingedruckt. Das weihnachtliche Schreiben kam damals nicht an. Mit 85 anderen Briefen wurde es von Inselbewohnern aus dem damaligen Feldpostamt entwendet. 71 Jahre später stellten Briefträger der Jersey Post und der Deutschen Post nun gemeinsam den verspäteten Gruß zu. "Es waren wohl Teenager, die es als eine Form des Widerstands gegen die deutschen Besatzer verstanden", meint ein Vertreter des britischen Postunternehmens. Bergmann ist über die harmlosen Worte erleichtert. "Man weiß nicht so genau ...", beschreibt er seine zwiespältigen Gefühle, als ihn die Post vor ein paar Wochen mit der Nachricht der verspäteten Weihnachtskarte überraschte. Bergmann ist bundesweit der erste Familienangehörige, der nun nach Angaben der Post den originalen Weihnachtsgruß erhalten hat. Auch die anderen Briefe sollen noch vor den Feiertagen ankommen, vier Schreiben gingen schon am Dienstag nach Offenbach.
Angst vor Nazi-Propaganda
Bergmann ging es mit seinen wiederstreitenden Empfindungen wie anderen Empfängern. "Manche wollen die Briefe nicht", sagt ein Mitarbeiter der Deutschen Post. Auch die Tochter von Emil Adam verweigerte die Annahme. Wohl, weil sie mit dem "alten Kram" nichts zu tun haben wollte. Bei anderen sei die Angst groß, die Grüße aus dem Zweiten Weltkrieg könnten nationalsozialistisches Gedankengut offenbaren, so die Post. Die Feldpostbriefe waren 2006 im Privatbesitz eines Mannes wieder aufgetaucht, der damals an dem Briefklau beteiligt war. Er hatte sie dem Inselarchiv übereignet. Die Post wurde geöffnet, ihr Inhalt übersetzt, Kopien angefertigt. Zusammen mit der Deutschen Post, dem Roten Kreuz, Militärhistorikern und Schriftsachverständigen hatte die Jersey Post anschließend die ursprünglichen Empfänger oder deren Erben in Deutschland gesucht. Zehn wurden bislang ausfindig gemacht. Engelbert Josef Bergmann will jetzt die Weihnachtsgrüße von der Insel, wie vom Schreiber gewünscht, auch den erwähnten damaligen Nachbarsfamilien ausrichten.
Redaktion: dase / frbe
Fonte: faz.net/